Tshik Tshak in den Norden
- swirth8
- 15. Sept. 2017
- 3 Min. Lesezeit

Auch wenn ich diesen Ausdruck hier noch nie gehört habe, sondern ihn aus einer Israelbroschüre entnommen habe, beschreibt Tshik-Tshak einen Teil der israelischen Mentalität ziemlich gut. Pragmatisch, zackig, taff- das erleichtert Vieles, aber ich muss mich auch erstmal damit anfreunden, denn wer mich kennt weiß, dass das mir diese Eigenschaften nicht unbedingt in die Wiege gelegt wurden. Der zweitägige Trip, den das Kfar gestern und heute gemacht hat war ganz im Thsik-Tshak-Stil gehalten, viel Programm reibungslos in kurzer Zeit. Die grobe Struktur: Jeder guide bekam einen friend zugeteilt, den er begleiten sollte während der verschiedenen Aktivitäten, beim Essen und durch den restlichen Tagesablauf. Mein friend David* war ein ziemlich ruhiger, sorgfältiger und braver friend, war jedoch gehörlos, was also Kommunikation auf Zeichensprache erforderte. 9 Uhr: Die Busse fahren vollgepackt mit fast dem ganzen Kfar los in den Norden von Israel, wo sich hinter der Küste mit dem industriellen Haifa eine eher ländliche Region erstreckt. 11 Uhr: Auf einem Erlebnisbauernhof bekommt tshik-tshak jeder ein vorgefertigtes Namensschild und der Bauer, der nun die friends mit seinem lauten Organ alle direkt beim Namen rufen kann verteilt Aufgaben, in der Geschwindigkeit und in dem Tonfall, in dem ein Börsenmakler der Wall Street Aktien verkauft. Während David noch damit beschäftigt ist, in Feinarbeit den letzten Rest des Heus aufzuklauben und den Kühen vor die Nasen zu schippen, hat der Bauer die anderen schon mit der „Milchproduktion“ beschäftigt, und lässt die einen friends Kakao in die Milch schütten, während ein anderer umrührt und noch ein weiterer friend den Rahm zu Sahne schlägt. Mit dieser Laufbandarbeit waren wir zwar bestimmt in etwa einer Stunde fertig und jeder friend hatte einmal eine mehr oder weniger schwierige Aufgabe, aber ich hatte auch das Gefühl David war nicht der einzige friend, der sich irgendwie noch gar nicht richtig darauf eingestellt hatte, als es auch schon zu Ende war. 13 Uhr: Mittagessen im Hotel, bei dem ich es insgeheim genieße, dass David so langsam isst, während um mich herum dafür gesorgt wird, die Nahrungsaufnahme möglichst schnell hinter sich zu bringen und die -teils Essen klauenden- friends auf ihre Zimmer zu bringen. 15 Uhr: Eine Poolparty mit Wassergymnastik angeleitet von einer braungerannten Flummifrau, Glitzertatoos oder alternativ einer Anleitung zum Riesenseifenblasen in den Himmel zaubern. 19 Uhr: Dinner mit dem gleichen Spiel wie am Mittag. 20 Uhr: Die Sing a Song Party ist mein persönliches Highlight, zu einer Ein-Mann-Band mit Gitarre und Gesang und israelischen so wie internationalen Charts springen friends und guides wild herum. Als später am Abend Aaron*, der immer in einem bedächtig salbungsvollen Singsang spricht und der den ganzen Abend schon fasziniert die Spiegelung des Mondes in einem Fenster betrachtet hat, ans Mikrofon geht und mit einem inbrünstigen Bass ein hebräisches Lied zum Mond gewandt singt, bekomme ich eine Gänsehaut. 7 Uhr des nächsten Tages Frühstück gefolgt von 9 Uhr: Ein ruckelnder Jeep Trip durch die Umgebung. 10 Uhr: Da bald das jüdische Jahr 5778 mit dem Rosh Hashana- Fest begrüßt wird wird ein alter Brauch begangen, das Rosh Hashana - Brotbacken. So schön rund das Pita- förmige Brot geformt wird, so schön rund wird auch das neue Jahr. Ganz anders als wie man das zum Beispiel vom Stockbrotbacken kennt, wo jeder geduldig sein eigenes Brötchen backt, haben tshik tshak zwei Outdoorcooking- Profis dafür gesorgt, dass die friends, die mit dem Formen fertig sind, direkt mit den schon fertigen Pitas der anderen versorgt werden. 13 Uhr: Ankommen im Kfar. Ich fand den Trip alles in allem sehr facettenreich und phantasievoll gestaltet und außerdem so erstaunlich schnell getaktet, aber auch wenn ich dieses Tshik Tshak bewundere, glaube ich, einige der autistischen friends könnten an der ein oder anderen Stelle auch ein bisschen mehr Geduld vertragen.
*Namen der friends sind geändert
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