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Liron und wofür ich eigentlich hier bin

Da immer noch Sukkot ist, und einige Institutionen wie zum Beispiel Schulen Ferien haben, war ich heute einer anderen Gruppe zugeteilt, den Chayms, die heute im Kfar geblieben sind anstatt in den Nachbarort zu fahren, wo dem Kfar Räume für sie in einer großen sozialen Einrichtung bereitgestellt worden sind. Es traf sich zu, dass ein „Chaym", Liron*, der ganz nervös wird, wenn er mal muss und dass mindestens einmal pro Stunde, auf mich zukam und mir zu bedeuten gab, dass er raus wolle. Ich kann es auch gut verstehen, denn wir mussten den Raum abschließen, da andere Kandidaten sonst ständig abhauen würden, und so fragte ich die anderen, ob ich mit ihm rausgehen könne, denn Liron braucht auf Grund seiner Epilepsie Aufsicht. Ich war also bestimmt mehr als eine Stunde draußen mit ihm im Garten und bin ihm immer wieder hinterhergelaufen. Hin zum Platz, wo die Sukka steht. Zurück in den Garten. Hin in die Lobby. Zurück in den Garten. Irgendwann wurde es mir dann zu öde und ich sagte zu ihm „Bo Liron“ (Komm, Liron), die goldenen Worte im Kfar für alle noch nicht Hebräisch Sprechenden, weil sie so einfach und doch irgendwie so universal wirkungsvoll sind. Aber er wollte nicht. Also sagte ich es lauter und deutlicher. Aber er wollte nicht. Und da fiel mir etwas ein aus einer Abendrunde beim Ausreiseseminar. Die Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, das davon handelt, dass ein Winzer seine unterschiedlich lang arbeitenden Arbeiter alle mit dem gleichen Lohn bezahlt. Ein Lohn, mit dem der Arbeiter einen Tag seine Familie und sich versorgen kann. Das Prinzip, das dahinter steht, ist folgendes: Jeder bekommt das, was er braucht. Ein Weinbergarbeiter braucht den Tageslohn, Liron brauchte in diesem Moment die Freiheit, draußen herumzulaufen. Der Winzer, der durch seinen Ertrag von seinem Weinberg die Macht besitzt, ihm diesen Lohn zu geben, hat ihm das gegeben, was er braucht. Ich, der Guide, dem durch meine Stellung als Betreuer die (wenn auch ziemlich kleine) Macht zusteht, darüber zu entscheiden, ob Liron weiter herumlaufen darf oder nicht, sollte ihm das geben, was er braucht. Mit dem Taschengeld wird mir ja auch das gegeben, was ich brauche. Jetzt, wo ich so darüber nachdenke, ist es ja auch eigentlich genau das, wofür ich hierher gekommen bin, versuchen, den Friends das zu geben, was sie brauchen. Ich könnte bestimmt noch viel mehr zu diesem Weinberg-Prinzip schreiben, aber ich glaube es reicht erstmal, genug Theorie für heute. Ich hoffe, ihr versteht, was ich damit meine.

*Namen der Chaverim sind geändert


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